33 % Das Waldmagazin –So viele Seiten hat der Wald

Die Entstehungsgeschichte unseres Magazins (aufgezeichnet Anfang 2022 von Britta Mentzel)

Das Bild von der Kastanie oder der Eichel, die wir erst in die Hand genommen haben, betrachtet und ein wenig blank gerieben, liegt sehr nahe, wenn es um die Anfangszeit unseres Magazins geht. Da war zunächst nicht mehr als diese Idee, eine Zeitschrift zu gründen, die sich im weitesten Sinne um den Wald dreht; die eine wissenschaftliche, essayistische, philosophische, gesellschaftskulturelle und auch politische Annäherung an das große Thema wagt. Mitte 2019, als die Idee wie eine kleine Eichel in unserer Hand lag, gab es auf dem Zeitschriftenmarkt wie in der öffentlichen Wahrnehmung tatsächlich noch eine Leerstelle rund um dieses Thema. Zwar existierten Hefte, deren Zielgruppe Stadtmänner mit Natursehnsucht waren, sozusagen Playboys mit Landlust; und es bestanden Magazine, die als internationale Lizenzen Naturthemen aller Art behandelten. Aber eine deutsche Zeitschrift, die sich in erster Linie dem Wald widmet, fehlte tatsächlich noch. 

Das war sozusagen der Boden, in den wir die kleine Eichel gelegt haben. Im Kern waren wir zwei – die Gestalterin Tanja, die den Wunsch, ein Waldmagazin zu gründen, vielleicht schon seit ihrer Kindheit am und im Nürnberger Reichswald in sich getragen hat, und ich, Britta, die ich den Wald mindestens genauso liebe wie das Schreiben. Tanjas Mann Ronald kümmert sich um den Vertrieb, Social-Media und die Anzeigen. Und unsere Kollegin Christine, die wir aus der gemeinsamen Zeit in einer großen Magazinredaktion kennen, recherchiert und übernimmt die Schlussredaktion. Mehr sind wir nicht: Drei Blattmacherinnen, die vier Mal im Jahr ein 96-seitiges Magazin herausgeben, und nebenher noch als Grafikerin, Journalistin und Lektorin arbeiten. Dass das machbar war und ist, ist die erste wichtige Erfahrung, die wir mit unserem kleinen Pflänzchen Waldmagazin gemacht haben. 

Mit jeder Ausgabe ist die Idee dann gewachsen – inhaltlich und auch in den Kreisen, die sie gezogen hat. War ein Thema recherchiert, haben sich auf einmal zwei weitere aufgetan; war ein Journalist oder eine Fotografin angesprochen, die wir von einem anderen Projekt kannten, gab es schnell neue Verbindungen und andere Aspekte. Professionelle Medienschaffende sind auf uns zugekommen, aber auch Leute, die noch nicht viel veröffentlicht haben. Obwohl unser Magazin nahezu zeitgleich mit dem Beginn der Pandemie und ihren ganzen Einschränkungen zum ersten Mal erschien, haben uns die vergangenen zwei Jahre menschlich ungeheuer bereichert. Die Begegnungen mit fantastischen und spannenden Persönlichkeiten waren unsere eigentliche Bezahlung, unser Herzens-Honorar.

Erfahrung Nummer zwei: Der Wald geht viel mehr Menschen nahe, als man denkt. Und zwar nicht (nur) als Ressource, Wirtschaftsfaktor und Spielwiese für Selbstoptimierungen, sondern um seiner selbst willen. 

Heute (2022) ist das Waldmagazin eine Zeitschrift, die sich für Buchen- wie für Regenwälder interessiert, der es um Stadtbäume genauso geht wie um die spärliche deutsche Wildnis; die Bären in Südslowenien aufspürt und die Libellen in der heimischen Wiese. Wir berichten über Menschen, die im und mit dem Wald arbeiten, über Künstlerinnen und Künstler, die darin ihre Sujets finden. Wir haben über Architektur, verbotenen Kahlschlag, Waldköche, Baumgrenzen, Stauseeholz, die Regenerationsfähigkeit der Natur und die Bedrohung durch Dürre geschrieben, über indigene Landwirtschaft im Amazonaswald und warum sich die schlimmsten Lager der Menschheitsgeschichte mit harmlosen Waldbegriffen tarnten. Das Thema hat sich als so groß erwiesen, wie es weltweit ist, denn noch bedecken 33 % der Landfläche Wälder. Wer weiß, wie lange noch. Das Magazin wird getragen von den Artikeln hervorragender Autorinnen und Autoren, die um unser schmales Budget wissen und trotzdem mitmachen – und von den Bildern international bekannter Fotografen und Fotografinnen, denen unser Format gefällt, die Qualität der Aufbereitung und unsere Unabhängigkeit. Vielleicht sind sie auch angerührt von unserem Idealismus, denn das ist eine weitere Erfahrung, die wir machen durften: Je größer der Name der Mitwirkenden, desto freimütiger ihre Unterstützung. 

Anfangs stellte sich zumindest mir oft die bange Frage: »Schaffen wir das, ein Heft zu füllen und regelmäßig herauszugeben?« Jetzt steht unser Magazin-Bäumchen ganz selbstverständlich da und braucht unsere Pflege und Aufmerksamkeit. Und meine größte Sorge ist, dass wir eines Tages aufgeben müssten, weil es nicht gelingt, weil sich doch nicht genügend Leute begeistern lassen und uns überhaupt wahrnehmen im großen deutschen Blätterwald, in dem leider die Gesetze des Dschungels gelten. Doch vielleicht pflanzt sich durch unser Magazin die Idee ja fort, dem Wald unser tiefes Interesse und unser ganzes Engagement zu widmen, weil er einer der wichtigsten Lebensräume der Erde ist und ein Garant für unser Weiterleben. Dann wäre aus der kleinen glänzenden Eichel eine herrliche Eiche geworden.

Britta Mentzel

Nachtrag: Zu unserem großen Bedauern überlebte das Magazin in seiner gedruckten Form die Pandemie nicht, hohe Druck- und Papierkosten bei gleichzeitigem Rückgang von gebuchten Anzeigenplätzen machten dem Pflänzchen vorerst den Garaus. Es ließe sich jedoch jederzeit wiederbeleben, wir wären sofort wieder dabei …