Hören statt schlafen

Von Britta Mentzel, Ausgabe 01/20

Manche Forderungen sind so einfach, dass sie revolutionär klingen: »Kein Kind sollte aufwachsen, ohne sich des morgendlichen Dämmerchors der Vögel im Frühling bewusst zu werden«, schrieb Rachel Carson in ihrem Essay »Magie des Staunens«. Nur draußen, so die frühe Protagonistin der amerikanischen Umweltbewegung, könne man lernen zu lauschen, und nur in der Natur ließe sich ein Gefühl entwickeln für die Schönheit des Lebens und seine Vielfältigkeit. Die nennt sich heute Diversifikation und hat sich gegenüber dem Jahr 1963, als dieser Essay entstand, stark verändert. Wie der Blick in eine fast untergegangene Welt erscheint das schmale Bändchen, angereichert mit Illustrationen von Johann Brandstetter. Gewidmet hat es Rachel Carson ihrem Neffen Roger, mit dem sie frühmorgens loszog, um auf die Geräusche von Wald und Wiese zu achten. Sollten dem Kind danach ein paar Stunden Schlaf gefehlt haben – egal. Was bedeute schon der Schlaf gegen das Fühlen und Staunen in der Natur. In diesem Vogelkonzert, so Carson, »hört man den Puls des Lebens«. Rachel Carson konnte ihr Buch nicht zu Ende schreiben, sie starb 1964 mit nur 56 Jahren. In den USA bewirkte die studierte Biologin einen defensiveren Umgang mit Pestiziden, vor allem DDT. Ihr wichtigstes Werk erschien 1962: »Silent Spring«, »Der stumme Frühling«.

 

Rachel Carson, Magie des Staunens. Die Liebe zur Natur entdecken. Aus dem Amerikanischen von Wieland Freund und Andrea Wandel. Klett-Cotta, Stuttgart 2019, 88 S., 20 Euro